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XXX - Triple X (XXX) USA 2002, 124 Minuten Regie: Rob Cohen
Drehbuch: Rich Wilkes Musik: Randy Edelman Director of Photography: Deam Semler Montage: Chris Lebenzon Produktionsdesign: Gavin Bocquet
Darsteller: Vin Diesel (Xander Cage), Asia Argento (Yelena), Marton Csokas (Yorgi), Samuel L. Jackson (Agent August Gibbons), Michael Roof (Agent Toby Lee Shavers), Eve (J. J.), Tom Everett (Senator Dick Hotchkiss), Thomas Ian Griffith (Agent Jim McGrath), Richy Müller (Milan Sova), Werner Dähn (Kirill), Petr Jakl (Kolya), Jan Pavel Filipensky (Viktor), Leila Arcieri (Jordan King), William Hope (Agent Roger Donnan), Joe Bucaro (Virg), Danny Trejo (El Jefe)
A New Age Hero?
James Bond oder XXX? Ist das hier die Frage? Heiß diskutiert wird sie jedenfalls. Und tatsächlich hat sich Rob Cohen („The Fast and the Furios“, 2001) mit „XXX“ eng an der Machart der James-Bond-Filme orientiert. Die Urteile der Bond-Fans sind jedenfalls teilweise hart. James Berardinelli meint etwa, im Vergleich zwischen „XXX“ und Bond wirkten die Drehbücher der Kult-Serie wie Shakespeare, während „XXX“ vor allem Kasse machen wolle.
Rammstein in concert in Prag ist höllisch laut. Es wirbelt und kracht. Der Top-Agent der National Security Agency hat davon wenig. Er wird von den Mitgliedern der Söldnertruppe Anarchy 99 – die vor allem aus Ex-Angehörigen der Roten Armee besteht – in Prag während des Konzerts ermordet. NSA-Agent Gibbons (Samuel L. Jackson) hat einen Entschluss gefasst: Ein hartgesottener und zugleich für die Anarchy-Gruppe unauffälliger Fighter soll sich in die Gruppe einschleusen. Auserkoren wird Xander Cage (Vin Diesel), vorbestraft, tough und tätowiert, der gerade einem Senator das Auto geklaut hat und in einer halsbrecherischen Aktion mit dem Schlitten von einer Brücke gerast ist – mit Fallschirm natürlich. Gibbons setzt Cage unter Druck, der – allerdings mit Aussicht auf Amnestie – nur widerwillig seinem neuen Job zustimmt.
Nach einer Einsatzprobe in einem Café, die Gibbons davon überzeugt, den richtigen Mann ausgewählt zu haben, geht es nach Prag, wo Cage sich mit Hilfe des örtlichen Agenten Milan Sova (Richy Müller) an den Anführer der Anarchy-Gruppe Yorgi (Marton Csokas) heranmachen soll. Cage, der sich gegenüber Yorgi als Sport-As vorstellt, behauptet, er wolle ein paar reichen Leute in den Staaten illegal seltene Autos besorgen. Yorgi solle ihm dabei helfen. Der scheint begeistert und seine Männer erledigen den Auftrag mühelos. Yorgis Vertraute Yelena (Asia Argento) ist zunächst gar nicht begeistert von Yorgis neuem „Freund“. Das ändert sich allerdings schnell – zumal Cage Yelena kurz darauf in Yorgis entlegenem Schloss dabei erwischt, wie sie einen Safe in der Computerzentrale Yorgis ausspioniert. Offenbar arbeitet die Dame ebenfalls gegen den Chef der Gruppe.
Als Cage versucht, Yelena zur Kooperation zu bewegen, ahnt er noch nicht, dass Yorgi inzwischen weiß, dass Cage für die NSA arbeitet. Obwohl er einem Scharfschützen Yorgis entkommen kann, scheint seine Arbeit in Prag erledigt. Denn Gibbons will ihn in die Staaten zurückschicken, weil seine Identität aufgeflogen ist. Das passt Mister XXX überhaupt nicht. Er entschließt sich weiterzumachen. Auf eigene Faust spioniert er Yorgis Pläne aus. Und die sind nicht von Pappe. Eine mysteriöse Waffe mit dem Namen „Ahab“ von unglaublicher Zerstörungskraft spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Jagd beginnt, der neue Weltenretter tritt in die Aktion ...
Rob Cohen und Rick Wilkes gelangt es tatsächlich, alle Zutaten der Bond-Reihe in ihren Film zu packen, die einen „echten Bond“ ausmachen: Mister M und Agent Gibbons, XXX und Bond, der absolute, psychopathische Schurke und Yorgi, die kühle Schönheit und Yelena (die beide nicht so kühl sind, wie es zunächst scheint), den Experten für ausgefeilte Waffen und Agent Toby Lee Shavers (Michael Roof) – ein Schreibtisch-Agent und Technik-Tüftler –, eine Art cooler und nüchterner Patriotismus gepaart mit Thema Nr. 1 (XXX: „Was man für sein Land nicht alles tut“, als ihm eine zu allem bereite Schönheit von Yorgi auf dem Tablett serviert wird), eine in vielem unrealistische und mit allen Klischees und Vorurteilen des Kalten Krieges gespickte Handlung, Action-Szenen, bei denen man sich fragen muss, wie der Held aus derartigen Situationen wieder heraus gekommen ist.
Diese Zutaten sind bei Cohens „XXX“ allerdings – bis auf die Actionszenen – minimalisiert. Die Geschichte ist noch phantastischer als jede Bond-Story und von „unnötigem“ Ballast an Quer- und Längs-Verweisen und Nebenschauplätzen „befreit“, die Pläne Yorgis noch reduzierter bezüglich Details, und auch die Charaktere sind noch einmal „schlichter“ als in fast allen Bond-Filmen.
Cage ist allerdings auch eine Art „Nicht-Bond“. Bond ist smart, Cage ist tough. Bond ist der Gentleman-Agent mit englischen Manieren und harter Gesinnung. Cage ist der amerikanische Individualist, der einen US-Senator bestrafen will, weil der gegen Rockmusik und freie Meinungsäußerung ins Feld gezogen ist. Cage ist die typische Mischung aus Looser, Loner, Stehaufmännchen und Fun-Society, einer der sich nur bedingt in die Strukturen einbinden lässt. Bond ist britischer Macho, der vor allem sich selbst liebt, Cage ist eher einer, der die Frauen liebt.
Das, was „XXX“ mit Bond-Filmen vor allem verbindet, ist, dass sich die Bilder wie von selbst als das entschlüsseln und entzaubern, was sie sind: so gut wie ausschließlich reine Phantasie. Sie entlarven sich, indem sie sich „zeigen“. Es bedarf kaum der Mühe, um zu erkennen, dass das, was sich hier vor den eigenen Augen abspielt, Erfindung ist. Der mal leichte, mal deutliche Sarkasmus sowohl in einigen Action-Szenen wie in den Dialogen tut ein übriges, um die Handlung und die Charaktere selbst zu entlarven. Das war für mich immer das Faszinierende an fast allen Bond-Filmen. Man kam eigentlich nie darauf, dass es ernst gemeint war. „XXX“ drückt natürlich andererseits auch einen bestimmten zeitgenössischen Geschmack aus, zielt auf ein spezifisches Publikum, sicher, verbreitet demzufolge auch die Lebensstil-Zutaten seiner Zielgruppen. Aber welcher Film tut dies nicht?
„XXX“ strotzt vor zum Teil nicht sonderlich neuartigen, aber doch beeindruckenden Action-Szenen. Etwas wenn Vin Diesel eine Lawine durch Sprengstoff auslöst und minutenlang vor dieser Lawine auf einem Snowboard davon jagt. Diesel ist immer kurz vor der Lawine. Das ist z.B. eine Szene, in der sich die Bilder selbst dekonstruieren: völlig unwahrscheinlich. Es sieht so aus, als ob die Lawine beschlossen hätte, Diesel nichts anzutun. Technik, Waffen, riskante Situationen haben sich positiv verschworen: sie dienen dem Helden, um seine Heldentaten zu vollbringen. Sie stehen auf seiner Seite, als ob sie Subjekte wären, die sich dafür entscheiden könnten, nur dem „Guten“ zu dienen. Selbst als die Superwaffe „Ahab“ über den Fluss Richtung Prag saust und Cage sich mit dem Fallschirm auf sie abseilt, ist „Ahab“ nicht nur eine Gefahr. Sie trägt den Helden und lässt ihm eine Chance. Technologien sind in solchen Filmen Risiko und Chance zugleich. Der blinde Optimismus und die absolute Sicherheit, dass „das Gute“ siegen wird, sorgen dafür, dass alles wie im Märchen ausgeht: gut, nach ein paar Leichen. Dabei ist die Geschichte selbst so hanebüchen, dass sie unwichtig wird. Cohen reduziert die Handlung auf das moderne Märchen. Selbst Yorgi hat nur die Funktion, dem Helden Heldentum zu verschaffen.
„XXX“ ist spannend, enthält viele und gute Action-Szenen, ist amüsant und nimmt sich selbst nicht allzu ernst. Es bedient einen weit verbreiteten Geschmack, dem auch ich ab und zu fröne, und kann deshalb durchaus Kassenschlager werden. Es bedient zudem ein jüngeres Publikum mit „Subkultur“-Tendenzen und Videospiel-Vorlieben und hat manchmal Ähnlichkeit mit modernen Comic-Strips. „XXX“ ist uncharmant im Vergleich zu Bond-Movies, bezieht aber doch einen gewissen Charme, weil der Film abstrus, abwegig ist und das auch verdeutlicht. An den reduzierten Dialogen hätte man teilweise allerdings noch etwas feilen können.
Also: ein guter Ersatz-Bond? Ja und Nein. „XXX“ ist kein Ersatz für den Bond-Kult. Die Filme konkurrieren nicht wirklich miteinander, zumal die Zielgruppen wohl unterschiedliche sind. Man muss abwarten – und das ist ein Punkt, den ich zu bemängeln habe –, ob bei einer sicher zu erwartenden Fortsetzung die Personen, vor allem Cage, nicht doch etwas feinfühliger gezeichnet werden. Diesel ist zu sehr beschäftigt und zu wenig Subjekt.
Alles in allem. Sehenswert und amüsant.
© Bilder: Sony Pictures Entertainment
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