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Zeit der Zärtlichkeit (Terms of Endearment) USA 1983, 132 Minuten Regie: James L. Brooks
Drehbuch: James L. Brooks, nach einem Roman von Larry McMurtry Musik: Michael Gore Director of Photography: Andrzej Bartkowiak Montage: Richard Marks Produktionsdesign: Polly Platt, Harold Michelson, Anthony Mondell, Tom Pedigo
Darsteller: Shirley MacLaine (Aurora Greenway), Debra Winger (Emma Greenway Horton), Jack Nicholson (Garrett Breedlove), Danny DeVito (Vernon Dahlart), Jeff Daniels (Flap Horton), John Lightgow (Sam Burns), Lisa Hart Carroll (Patsy Clark), Betty King (Rosie Dunlop), Huckleberry Fox (Teddy Horton), Troy Bishop (Tommy Horton), Shane Serwin (der junge Tommy Horton), Megan Morris (Melanie Horton), Tara Yeakey (Baby Melanie Horton), Norman Bennett (Edward Johnson), Jennifer Josey (die junge Emma Greenway), Kate Charleson (Janice), Buddy Gilbert (Dr. Ratcher)
Zärtlich in jeder Hinsicht
Das Kino-Regiedebut James L. Brooks aus dem Jahr 1983 konnte und kann sich auch heute noch sehen lassen. „Terms of Endearment“, so könnte man sagen, ist wie das Leben selbst. Selten gelingt es einem Regisseur und seinen Schauspielern, Tragik und Komik derart hautnah zu inszenieren. Brooks drehte u.a. noch zwei weitere Filme, „Geht’s hier nach Hollywood?“ 1994 und 1997 „Besser geht’s nicht“. Er ist einer der Väter und Produzent der „Simpsons“. Der Film wurde elfmal für den Academy Award nominiert und erhielt fünf der begehrten Trophäen (Nicholson, MacLaine, Drehbuch, Regie, Best Picture).
Brooks erzählt die Geschichte der verwitweten Aurora Greenway (Shirley MacLaine) und ihrer Tochter Emma (Debra Winger) aus Houston. Aurora ist eine aufrichtige, aber auch besitzergreifende Frau, die ihre Tochter von Beginn an in die „richtigen“ Bahnen des Lebens lenken will. Emma hingegen will unabhängig sein. Während sie Jahre später zu ihrer Mutter sagt, sie hätten sich doch die ganze Zeit über fast nur gestritten, sieht Aurora dies ganz anders. Sie muss bald erkennen, dass sie ihre Tochter nicht festhalten kann. Aurora ist eine Frau, die sagt, was sie denkt – jedenfalls was das Verhalten oder den Charakter anderer betrifft. Was sie selbst betrifft, hat sie sich gegen Emotionen anderer gut gepanzert. Nur Emma lässt sie ab und an nah an sich heran.
Als Emma sich entschließt, den Literaturstudent Flap Horton (Jeff Daniels) zu heiraten, versucht Aurora sie davon abzubringen. Sie sieht in Flap einen langweiligen Durchschnittstypen, der ihrer Tochter intellektuell und emotional nicht das Wasser reichen kann. Doch Emma liebt Flap. Und als der eine Stelle in Des Moines in Iowa angeboten bekommt, ziehen die beiden um. „Mama, das ist das erste Mal, dass ich mich aus der Umklammerung lösen kann. Und das mag ich“, sagt Emma zu ihrer Mutter beim Abschied von ihr und ihrer besten Freundin Patsy (Lisa Hart Carroll). Kurz darauf ist sie schwanger; der erste Sohn, Tommy (Troy Bishop), wird geboren. In den folgenden Jahren bekommen Emma und Flap zwei weitere Kinder, Teddy (Huckleberry Fox) und Melanie (Megan Morris).
Aurora und Emma gehen ihre eigenen Wege, bleiben aber in Kontakt, denn trotz aller Konflikte lieben sich Mutter und Tochter über alles – auch wenn sie sich das nicht immer eingestehen wollen. Aurora ist von Verehrern umgeben, dem leicht devoten Edward (Norman Bennett), dem kleinen skurrilen Vernon (Danny DeVito), dem Arzt Dr. Ratcher (Buddy Gilbert). Aber keiner dieser Herren hätte jemals eine Chance bei der eigensinnigen und diesen Männern in jeder Hinsicht überlegenen Frau. Dann lernt Aurora ihren Nachbarn, den Ex-Astronauten Garrett Breedlove (Jack Nicholson), kennen, einen, der offenbar nur sich im Kopf hat, jungen Frauen nachsteigt, trinkt und das Leben in vollen Zügen zu genießen scheint. Auch Garrett nimmt kein Blatt vor den Mund, ist mal unverschämt, mal zynisch, aber im Grunde kein schlechter Kerl. Er lädt seine Nachbarin zum Essen ein, merkt sofort, dass Aurora niemanden näher an sich heranlassen will und provoziert sie. Als sie sich beschwert, sagt Garrett zu ihr: „Ich habe keine Ahnung, was das mit dir ist, aber Du lockst den Teufel in mir heraus.“
Währenddessen muss Emma feststellen, dass ihr Mann mit einer seiner Studentinnen ein Verhältnis hat. Sie stellt ihn zur Rede, er leugnet, bleibt Nächte weg, während Emma sich um die drei Kinder kümmert und kurzfristig aus Enttäuschung ein Verhältnis mit einem Bankangestellten (John Lightgow) beginnt. Sie hat zudem damit zu kämpfen, dass Tommy gegen sie rebelliert, weil er merkt, dass zwischen Emma und Flap der Haussegen schief hängt.
Aurora und Garrett kommen sich näher. Und obwohl Garrett auf seiner Unabhängigkeit beharrt, spürt er die steigende Zuneigung zu Aurora, die Garrett liebt. Dann bekommt Emma Krebs ...
„Terms of Endearment“ ist eine gelungene Mischung aus Komödie, Melodrama und Sitcom. Die Geschichte würde auch für eine der vielen Soap-Operas taugen, die das Fernsehen überschwemmen. Das Außergewöhnliche an Brooks Film ist allerdings, dass das Mischungsverhältnis aus Komik und Melodrama stimmt. Ich sehe keine Szene in diesem Film, in der die Inszenierung in Übertreibungen abzugleiten droht. Brooks „fängt“ diese Risiken ab, und selbst der Schluss des Films, dessen Tragik wohl kaum jemanden kalt lassen kann, rutscht nicht in die Niederungen der Rührseligkeit oder des Kitsches ab. Das unterscheidet „Zeit der Zärtlichkeit“ von sattsam bekannten Fernsehserien.
Die Ausgewogenheit des Films ist zudem den hervorragend aufgelegten Schauspielern zu verdanken. Shirley MacLaine, die für ihre Rolle ihren ersten und einzigen Oscar erhielt (wenn ich mich recht entsinne), Jack Nicholson, der eine ihm auf den Leib geschnittene Rolle spielt, und Debra Winger, die ich selten so gut gesehen habe, wachsen einem schon zu Anfang des Films ans Herz. Sie könnten in der Nachbarschaft wohnen, sie könnten Freunde oder Bekannte sein. Die Rollen sind vielschichtig angelegt, keine eindimensionalen Charaktere im Bereich der Schwarz-Weiß-Malerei von Nur-Gut und Nur-Böse. Jeff Daniels hatte hier in gewisser Weise den schwierigsten Part. Denn sein Flap ist ein unnahbarer Egoist, der keine Skrupel zu kennen scheint, der nur glaubt, Emma zu lieben, und erst nach ihrem Tod begreift, was er an seiner Frau hatte. Zum ersten Mal – nach der Beerdigung – sieht man ihn weinen.
Diese Nähe zu den Figuren und die Ausgewogenheit der Inszenierung ergänzen intelligente Dialoge, die sich fernab von Klischees bewegen. Brooks entwickelt – im wahrsten Sinn des Wortes: ent-wickelt – im Laufe des Films ein ausgeklügeltes Beziehungsgeflecht zwischen den Personen, d.h. vor allem zwischen Aurora, Emma, Garrett und Flap, was ihm (und uns) ermöglicht, in diese Geschichte einzutauchen. Es entsteht so etwas wie Vertrautheit, teilweise sogar Bewunderung, insbesondere was Emma und Aurora angeht. Krankheit und Tod Emmas führen beim Betrachter nicht zu jener oberflächlichen, bewusst konstruierten Rührseligkeit, wie man sie aus so vielen Filmen oder Sitcoms kennt. Die Tränen sind „echt“, weil sie sich aus einer vorstellbaren Situation und vorstellbaren Charakteren ergeben.
Zärtlichkeit, das ist nicht nur das Thema dieser Geschichte um Mutter und Tochter und deren Beziehungen. „Terms of Endearment“ ist ein zärtlicher Film, der mit seinen Figuren behutsam, eben nicht idealisierend oder verblendend umzugehen weiß. Es hat schon seinen Wert, wenn man, wie ich, am Ende des Films Emma vermisst, als ob ein vertrauter Mensch aus der eigenen Umgebung gestorben wäre.
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