Zivilprozess (A Civil Action) USA 1998, 112 Minuten Regie: Steven Zaillian
Drehbuch: Steven Zaillian, nach dem Roman von Jonathan Harr Musik: Danny Elfman Director of Photography: Conrad L. Hall Montage: Wayne Wahrman Produktionsdesign: David Gropman, David J. Bomba, Tracey A. Doyle
Darsteller: John Travolta (Jan Schlichtmann), Robert Duvall (Jerome Facher), Tony Shalhoub (Kevin Conway), William H. Macy (James Gordon), Zeljko Ivanek (Bill Crowley), Bruce Norris (William Cheeseman), John Lightgow (Richter Walter J. Skinner), Kathleen Quinlan (Anne Anderson), Peter Jacobson (Neil Jacobs), Mary Mara (Kathy Boyer), James Gandolfini (Al Love), Stephen Fry (Pinder), Dan Hedaya (John Riley), Sydney Pollack (Al Eustis)
Gerechtigkeit ungleich Recht
Den auf Tatsachen basierenden Roman Jonathan Harrs nahm Drehbuchautor („Schindlers Liste“) und Regisseur („Searching for Bobby Fischer“) Steven Zaillian zur Grundlage eines Justizfilms, in dem einige Dinge über das amerikanische Rechtssystem unmissverständlich klargestellt werden. Ausgangspunkt des Films ist der Tod von zwölf Kindern, alle erkrankt an Leukämie, in Woburn, Massachusetts. Die Eltern verdächtigen zwei Firmen, W. R Grace & Co. und Beatrice Foods, durch das illegale und rücksichtslose Ablagern von Giftmüll das Grundwasser verseucht und dadurch Krankheit und Tod ihrer Kinder verursacht zu haben.
Rechtsanwalt Jan Schlichtmann (John Travolta) wird von der Mutter eines verstorbenen Kindes, Anne Anderson (Kathleen Quinlan) gebeten, sie gegen die beiden verdächtigen Firmen zu vertreten. Schlichtmann gehört einer Anwaltskanzlei an, zu der auch die Anwälte Conway (Tony Shalhoub), Gordon (William H. Macy) und Crowley (Zeljko Ivanek) zählen, und ist einer jener Anwälte, denen kein Mittel zu schade ist, um einen Prozess zu gewinnen und damit viel Geld zu machen. Schlichtmann lehnt die Vertretung der Eltern zunächst ab, denn ein Prozess gegen zwei derartig große Firmen kostet einen Haufen Geld, das die Eltern nicht aufbringen können – ganz zu schweigen vom Honorar der Anwälte. Dann allerdings entscheidet er sich anders und spekuliert auf einen Sieg im Prozess, zumindest auf einen Vergleich, der einem Schuldeingeständnis der Firmen gleich käme.
Seine Gegner im Prozess sind Jerome Facher (Robert Duvall) für Beatrice und William Cheeseman (Bruce Norris) für Grace. Cheeseman will anfangs verhindern, dass es überhaupt zu einer Untersuchung kommt. Schlichtmann habe die Klage gegen sie mutwillig angestrengt. Doch Richter Skinner (John Lightgow) lässt die Zivilklage zu. Zeugen werden gesucht, Experten von Universität und Forschungseinrichtungen sollen die entsprechenden Landstriche untersuchen. Die Gelder für diese aufwendige Beweisführung können weder die Eltern, noch die Anwälte aufbringen. Gordon beantragt bei der Bank der Kanzlei einen Kredit. Aber nach und nach verschlingt die Untersuchung mehr und mehr Geld. Die vier Anwälte verpfänden alles, was sie haben, einschließlich ihrer Häuser. 1,4 Mio. Dollar stehen am Schluss als Schuldenberg vor den Anwälten.
Nur ein Arbeiter einer der beiden Firmen, der selbst Angst um seine Kinder hat und dem die Eltern, die ihre Kinder verloren haben, leid tun, Al Love (James Gandolfini), ist bereit, auszusagen, was er weiß. Ins Zentrum der Ermittlungen rückt außerdem der Besitzer einer Gerberei, John Riley (Dan Hedaya), auf dessen Grund Tonnen von Giftmüll abgelagert worden sein sollen.
Schlichtmann versucht alles, um einen miesen Vergleich zu verhindern. Dann allerdings spielt Richter Skinner nicht mehr mit. Er legt den Geschworenen drei Fragen vor, deren Beantwortung selbst für Experten unmöglich wäre und die den Zusammenhang zwischen Giftmüllablagerung und Verseuchung des Grundwassers zum Inhalt haben. Die Geschworenen entscheiden, dass die Fa. Beatrice nicht verklagt werden soll; allerdings sind sie der Meinung, dass Grace Dreck am Stecken haben könne. Daraufhin bietet der Firmenchef Eustis (Sydney Pollack) Schlichtmann einen Vergleich an: 8 Mio. Dollar. Schlichtmann will mehr, doch Eustis will verhindern, dass eine hohe Vergleichssumme seine Firma in die Nähe eines Schuldeingeständnisses treibt ...
„A Civil Action“ zeigt zweierlei: einen Anwalt, der sich vom Saulus zum Paulus wandelt, und ein Rechtssystem, in dem nicht Gerechtigkeit, Wahrheit und Verantwortung oberstes Prinzip sind, sondern die Frage, wer so geschickt ist, einen Prozess zu gewinnen. Beides kombiniert Zaillian geschickt zu einem Verfahren, in dem letztlich die gewinnen, die den längeren Arm haben: die Firmen. Er verdeutlicht, dass der Sinn eines solchen Prozesses nicht die Verurteilung zweier finanzkräftiger Firmen mit entsprechend gut dotierten Anwälten ist, sondern ein Vergleich, ein fauler Kompromiss, der den Firmen nicht wehtut und den Opfern des Giftmüllskandals eine Abfindung beschert, die in keiner Weise auch nur einer irgendwie gearteten Entschädigung gleichkommen kann.
Anne Anderson, eine der Mütter eines an Leukämie erkrankten Kindes, das sterben musste, verlangt von Schlichtmann, dass er eine offizielle Entschuldigung für das herausholen sollte, was man ihrem Kind und den anderen angetan hatte. Ihr geht es nicht um Geld. Schlichtmann hingegen versucht, selbst unter schwierigsten Bedingungen und unter großen eigenen finanziellen Einbußen mehr herauszuholen, als der Prozess jemals erbringen könnte. Facher weiß dies. Facher vertritt eine der beiden Firmen, und er operiert ganz im Sinne der Verteidigung gegen die Klage, ohne allerdings als skrupelloser Mann, der kein Verständnis für die Eltern der Opfer hat, dargestellt zu werden. Cheeseman dagegen, der andere Firmenanwalt, erscheint ein absoluter Diener seiner Herren.
Das Problem für Schlichtmann besteht darin, die Kausalität zwischen Verunreinigung des Bodens und der Gewässer und der Trinkwasserverseuchung und der Leukämie plausibel nachzuweisen. In diese Kerbe schlagen seine Gegner voll hinein. Schlichtmann kann sein Ziel nicht erreichen. Seine emotionale Nähe zu den Opfern, seine wachsende Solidarität mit den Eltern führt ihn hinaus aus dem System des (faulen) Vergleichs.
John Travolta leistet exzellente Arbeit in der Rolle des Anwalts. Für Robert Duvall gilt dasselbe. Eine Gespräch zwischen den beiden in den Gängen des Gerichts bringt den Konflikt auf den Punkt. Facher erkennt die emotionale Verstrickung seines Gegenüber. Trotzdem bietet er Schlichtmann 20 Mio. Dollar als Vergleich an. Schlichtmann lehnt ab. Er will alles oder nichts – und vermasselt alles. Kurz darauf entscheidet die Jury, dass Fachers Firma Beatrice aus der Sache raus ist.
„A Civil Action“ ist nicht einer jener Filme, in denen ein heroischer Anwalt aus einer aussichtslosen Anfangssituation am Schluss einen Sieg auf ganzer Linie davonträgt. Der Film endet wahrlich nicht heroisch, sondern ernüchternd – für Schlichtmann, seine Mandanten und das amerikanische Rechtssystem, in dem Wahrheit und die Maxime „Siegen sollen die, auf deren Seite die Gerechtigkeit steht“ keinen Pfifferling wert zu sein scheinen – jedenfalls dann nicht, wenn „kleine“ Leute gegen das große Geld antreten.
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